Freitag, 9. Dezember 2016

Phlipp Winkler / Hool (1)

Deutscher Buchpreis 2016

Leserunde mit dem Bücherforum 
Watchareadin


Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch von Philipp Winkler hat mir sehr gut gefallen. Ein verdienter, deutscher Buchpreis 2016. Sehr interessant. Die Geschichte, der Schreibstil, familien- und gesellschaftskritisch erzählt.

Es war sehr spannend. Die Charaktere jeder einzelnen Figur, die Handlungen, die Sprache. Die Sprache habe ich als recht gewaltig und sehr fantasievoll erlebt. Am liebsten würde ich hier nur Zitate über die Ausdrucksweise einbringen, über die ich immer wieder gestolpert bin …
Das ist ja auch eine Kunst, diesen Jargon, diesen speziellen (teilweise restriktiven) Sprachcode dieser Menschen in schriftlicher Form umzusetzen. Eine saloppe Sprache, manchmal in dialektform, manchmal recht fäkalhaft, gossenhaft. Oftmals auch gemischt. Und sehr oft auch recht bildhaft:

Zitat:
Der Protagonist Heiko beschreibt seine Freundin Yvonne. ... "… und ihre kleinen Glubscher, diese blauen Augen. Sehen aus wie Eiswürfel, in denen eine Fliege eingefroren wurde". (Die Seitenzahl habe ich leider vergessen)
Auf Seite 145 beschreibt Heiko die verbrauchte Luft in seinem Zimmer, oben, wo die Luft sich schwer atmen ließe, als hätte sie ein Verfallsdatum, das lange überschritten wurde.

Da muss ich auch unseren Forumsbetreiber auf Watchareadin loben, der es schafft, immer gute Bücher ans Land zu ziehen. Mir war der Autor bis dato unbekannt gewesen ... Nun ja, das vorliegende Buch ist sein Debüt. Also noch ganz neu unter den AutorInnen.

Der Roman ist nicht nur eine ernste Familiengeschichte, der Autor geht oftmals recht humorvoll und komikhaft mit seiner Thematik um. Das lockert den ernsten Alltag in dieser fiktiven Welt etwas auf.

Ich werde mich hier kurzhalten, da die Gesprächsrunde auf Watchareadin noch lange nicht abgeschlossen ist, aber ich werde diese Buchbesprechung mit dem Bücherforum wieder verlinken.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein.
Jeder Mensch hat zwei Familien. Die, in die er hineingeboren wird, und die, für die er sich entscheidet. HOOL ist die Geschichte von Heiko Kolbe und seinen Blutsbrüdern, den Hooligans. Philipp Winkler erzählt vom großen Herzen eines harten Jungen, von einem, der sich durchboxt, um das zu schützen, was ihm heilig ist: Seine Jungs, die besten Jahre, ihr Vermächtnis. Winkler hat einen Sound, der unter die Haut geht. Mit HOOL stellt er sich in eine große Literaturtradition: Denen eine Sprache zu geben, die keine haben.Einen so knallharten, tieftraurigen und todkomischen Debütroman hat es seit Clemens Meyers „Als wir träumten“ in Deutschland nicht mehr gegeben. Thomas KluppWinkler schreibt bewegend, kraftvoll und mit feinem Gespür für die Welt der Außenseiter. Denn eigentlich ist Heiko Kolbe ein hoffnungsloser Romantiker und seine Gewalt ein stummer Schrei nach Liebe. Moritz Rinke
Woher kommt die Wut, was tust du, wenn dir nichts geblieben ist? Verzweifelt, knallhart und voller Herz. HOOL leuchtet aus allen Wunden. Lucy Fricke
Auf den ersten Seiten fällt uns allen aus der Leserunde das gestörte Verhalten des Vater Hans Kolbes auf. Recht beziehungsgestört im Umgang seiner erwachsenen Kinder Manuela und Heiko. Im Hintergrund steht noch eine Person namens Mie, die sich rarmacht, sodass ich nicht gleich einzuschätzen weiß, was sie für eine Rolle zu dieser Familie hat. Hans Kolbe ist alkoholabhängig und wird in eine Reha überwiesen. Weshalb der Vater alkoholabhängig geworden ist, erzählt uns Winkler erst auf den späteren Seiten. Aber man kann den Grund bereits erahnen. Er wurde von seiner Frau, von der Mutter seiner Kinder, verlassen. Dies alleine ist es aber nicht. … Später wird auch hier deutlich, warum die Frau abgehauen ist, die nicht nur ihren Mann verlassen hat, sondern auch ihre Kinder. Manuela, die ältere von den beiden Geschwistern, hat es besser getroffen als Heiko. Sie hat auf Lehramt studiert und hat auch eine Anstellung als Lehrerin, während Heiko zweimal durch das Abitur gerasselt ist und keine Ausbildung gemacht hat.

Er war auch noch ein Kind, als die Mutter ihre Koffer gepackt hat. Als sie ging, saß Heiko auf der Treppe. Er wusste nicht, dass seine Mutter nicht wiederkommt. Sie hatte sich von ihm mit einem Kuss auf die Stirn verabschiedet, ohne jegliche Erklärung. Manuela konnte besser mit diesem Mutterverlust ungehen, da sie älter war.

Manuela ist mittlerweile verheiratet und hat ein Kind, und neidet die Herkunftsfamilie ihres Mannes, sodass sie die Konflikte ihrer Familie herunterspielt, bis sie selbst nicht mehr kann, und bei einer Familienfeier in Tränen ausbricht. Es gelingt ihr nicht mehr, vor ihren Schwiegereltern eine harmonische Familie zu spielen. Die Fassade ist längst gefallen.

Manuela ist auch diejenige, die alles tut, um die verrottete Familie immer wieder zusammenzuführen.

Die Gründe, weshalb Heiko, sein Vater … so geworden sind, wie sie sind, erzählt Winkler uns nicht sofort. Das ist das Schöne an seinem Buch. Er rückt mit seinen Informationen peu a peu erst raus. Und so liest man jede Seite mit großem Interesse und mit großer Spannung. Eine Chronologie gibt es nicht. Es gibt immer wieder Zeitsprünge vor und zurück.

Heiko wohnt nicht mehr zu Hause, lebt in einem heruntergekommenen Haus, bei einem Bekannten namens Arnim, der auch ein schräger Vogel ist, denn Arnim hält Wildtiere bei sich und macht aus ihnen Kampfmaschinen, und verdient sich damit seinen Unterhalt. Diese vielen Szenen mit den Tieren haben mich total angewidert. Am liebsten hätte ich sie übersprungen. Mir haben die Tiere so furchtbar leid getan. Aber solche Menschen gibt es tatsächlich, die Tiere wie Objekte behandeln …  Natürlich werden die Tiere nicht artgerecht gehalten. Ein Bartgeier, der auf den Namen Siegfried reagiert, und der vergessen hat, was Freiheit ist, ist in einem kleinen Zimmer untergebracht … In den späteren Kapiteln schafft sich Arnim noch einen Tiger an, der in einer Grube leben soll, in der die Wände vor seiner Ankunft mit Aluminium ausgestattet werden, damit der Tiger nicht rausspringen kann. Das Schicksal dieses Tigers endet tragisch. Wie entsetzlich traurig.

Heikos Umfeld besteht hauptsächlich aus merkwürdigen Leuten. Da seine Familie für ihn keine wirkliche Familie mehr ist, so sind seine Freunde, die er auch aus seiner Kindheit kennt, so etwas wie ein Substitut, eine Ersatzfamilie.

Kein einfacher Umgang mit dem Umfeld, Heiko und seine Truppe, die sich mit ihren Gegnern, den Hooligans, in einem permanenten körperlichen Kampf befinden, der nicht selten böse endet.

Ein Teil des Schlusses hat mir sehr gut getan, ein anderer Teil wiederum nicht.

2 Punkte: Sprachlicher Ausdruck 
2 Punkte: Differenzierte Charaktere
2 Punkte: Authentizität der Geschichte
2 Punkte: Fantasievoll, ohne dass es kitschig oder zu sentimental wirkt
2 Punkte: Frei von Stereotypen, Vorurteilen, Klischees und Rassismus

Zehn von zehn Punkten.

Wer mehr erfahren möchte, kann unsere Diskussionsrunde im Bücherforum mitverfolgen.


Eine letzte Frage

Wie kam der Autor Philipp Winkler zu seinem Stoff? Hier ein Link dazu, der im Bücherforum Watchareadin, in der großen Leserunde, hinterlegt ist.



Weitere Informationen zu dem Buch:

Vielen Dank an den Forumsbetreiber von Watchareadin, der Kontakt mit dem Aufbau – Verlag aufgenommen hat, um für seine LeserInnen aus den Leserunden Rezensionsexemplare zu erwerben. 

Vielen Dank auch an den Aufbau – Verlag, der diese Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt hat.

Gebunden mit Schutzumschlag, 310 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-351-03645-4 

19,95 € *)
Inkl. 7% MwSt.

Und hier geht es zur Verlagsseite.

Und hier geht es in die Leserunde von Watchareadin.

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 In der Landschaft der Herzen besitzt das Gute eine große, die Menschen ergreifende Kraft,
(Banana Yoshimoto)

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