Donnerstag, 17. Dezember 2015

Anita Shreve / Eine Hochzeit im Dezember (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch von Anita Shreve hat mir wieder recht gut gefallen. Die Themen sind teilweise recht banal, aber das ist die Realität pur, wenn sie zeigt, über was sich Menschen über andere Menschen so alles für Gedanken machen. Das sind oftmals recht triviale Gedanken, aber wahrscheinlich ist diese Verhaltensweise recht menschlich.

Ich habe nicht viele Zettelchen im Buch haften, das hat den Vorteil, dass ich mich zu dieser Buchbesprechung kurz halten kann.

Man hat es hier mit recht vielen Persönlichkeiten zu tun, nicht nur mit den sieben Kandidatinnen aus dem Klassentreffen. Und jede Persönlichkeit hat ihre Geschichte zu erzählen. Dazu gibt es noch eine fiktive Erzählung von einer Agnes, die das Zeug hat, kreativ zu schreiben. Sie schreibt eine Lovestory von Menschen aus dem Ersten Weltkrieg. Erstaunlich, wie viel die Autorin selbst zu erzählen hat. Sie legt ja schließlich die Worte in den Mund ihrer fiktiven Figuren.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
Die winterlichen Berkshire Hills in Neuengland sind der Schauplatz einer besonderen Begegnung: Nach 27 Jahren treffen sich sieben alte Schulfreunde wieder, um die späte Hochzeit von Bill und Bridget zu feiern. Doch statt Ausgelassenheit herrscht angespannte Nervosität. Denn nun wird in ihnen allen das tragische Ereignis wieder lebendig, das sie seit ihrer Schulzeit auf schicksalhafte Weise miteinander verbindet und ihr Leben für immer verändert hat. 
Außerdem ist interessant, dass das Buch ausgerechnet im Dezember zum Lesen zu mir stößt. Passt wunderbar zu dem Buchtitel. Das Buch habe ich nämlich als Los aus meiner Losekiste gezogen. Parallelen gibt es auch mit dem Klima. Sowohl in Neuengland, als auch bei uns, hier in Hessen, fällt der Dezember ungewöhnlich mild aus. Keinerlei Anzeichen, die auf den Winter schließen könnten. In Neuengland allerdings fallen die Temperaturen von der zweistelligen Zahl auf null, sodass der Schnee völlig unerwartet durch den Temperatursturz vom Himmel fällt ...

Die Menschen, die sich nach siebenundzwanzig Jahren das erste Mal wieder sehen, haben sich jede Menge zu erzählen. Vor allem auch über ihre gemeinsamen Erfahrungen, die sie miteinander verbinden. Sie haben 1974 ihr Abitur gemacht, nach dem Abitur haben sie sich aus den Augen verloren …

Beschäftigt hat mich Agnes, die partnerlos geblieben ist, da sie sich in ihren ehemaligen Englischlehrer verliebt hat. Agnes selbst wird auch Lehrerin und unterrichtet an der selben Schule ihres Lehrers. Der Lehrer hat sich auf einen Seitensprung mit ihr eingelassen, mit der Perspektive, sich von der Ehefrau zu gegebener Zeit zu trennen. Die Trennung kam aber nie zustande, und so blieb Agnes für ihren Liebhaber immer nur die Nummer zwei, da sie es auch nicht schaffte, sich von ihm zu lösen. Interessant, wie Agnes ihr Schicksal meistert … Doch der Frust zeigt sich in dieser Gruppe, indem Agnes viel Bitterkeit ausstößt. Agnes ist es peinlich, dass sie ihren ehemaligen Klassenkameraden nichts vorzuführen hat, und entwickelt Ängste, die anderen könnten sie für eine alte Jungfer oder für homosexuell halten. Wie Agnes diesen inneren Druck löst, möchte ich nicht verraten.

Bill und Bridget sind auch ein interessantes Paar. Bridget ist an Brustkrebs erkrankt, und Bill macht seinen Wunsch wahr, sich mit Bridget zu vermählen, trotz der belastenden Krankensituation. Eine Jugendliebe zwischen diesen beiden konnte sich damals nicht verwirklichen, obwohl sie schon in jungen Jahren sich zueinander hingezogen gefühlt haben. Traurig sind beide wegen der vielen verlorenen Jahre … Wie viel Zeit bleibt ihnen nun noch, bis Bridget von ihrer Erkrankung weggerafft wird? Der Tod ist der tägliche Begleiter der beiden Frischvermählten. Den Moment leben und genießen, das ist meine Sicht. Nicht die Anhäufung an Jahren machen das Leben lebenswert, sondern der Moment, der sinnvoll gelebt werden sollte. Sie wissen nicht, ob die Ehe, wäre sie in den jüngeren Jahren vollzogen worden, glücklich verlaufen wäre … Beide waren mit einem anderen Partner unglücklich verheiratet, und beide Ehen wurden wieder geschieden ... 

Das politische Ereignis des elften September 2001, der terroristische Anschlag auf das World Trade Center in Amerika wird in der Runde auch oft thematisiert. Viele Fragen werden gestellt, wie z. B. es Menschen wagen konnten, aus dem Fenster des Turms zu springen ... Wie lange benötigt der Körper, bis er auf den Boden knallt ?… Wird der Aufprall empfunden oder verlieren die Springer vor der Bodenlandung ihr Bewusstsein? …
Jerry stellt in der Runde eine Testfrage:
>>Also, passt auf<<, sagte Jerry. >>Ihr steigt in ein Flugzeug und setzt euch auf eure Erster-Klasse-Plätze. Nach ein paar Minuten kommen sechs Araber rein und setzen sich ebenfalls in die erste Klasse. Sagen wir, einer von ihnen hat einen Koran bei sich. Die Frage lautet: Steigt ihr aus?<<
Diese Frage hatte die Bewandtnis herauszufinden, ob man nun den muslimischen Menschen gegenüber rassistisch eingestellt sei? 

Zurück zu Agnes, die sich über ihre fiktive Geschichte, die noch nicht beendet war, Gedanken gemacht hat. Und dieser Gedanke, den fand ich recht interessant und originell:
Agnes würde die Geschichte beenden, wenn sie wieder zu Hause war. Vielleicht würde sie sie sogar zur Veröffentlichung anbieten. Warum nicht? Wozu wurden Geschichten erfunden, fragte sich Agnes, (…) wenn nicht, um die Realität zu korrigieren? Wenn nicht, um Geschichte neu zu schreiben? Warum nicht, um die eigenen Fieberträume zu lindern?
Agnes` erfundene Geschichte hat etwas mit ihren Erlebnissen zu tun, auch wenn sie sich in einer anderen Zeit abspielt. Mir hat sie sehr gefallen. Da das Buch nun zu Ende ist, werde ich auch nicht mitbekommen, wie Agnes Geschichte weitergehen wird. :-)

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.

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Auch nach der schwärzesten Nacht geht immer wieder die Sonne auf.
(Agatha Christie)

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