Freitag, 21. August 2015

Uwe A. Oster / Sein Leben war das traurigste der Welt (1)

Friedrich der II und der Kampf mit seinem Vater

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch habe ich nun durch. Es war recht interessant. Die Konflikte zwischen dem Sohn und dem Vater sind allseits bekannt. Schwierig, dass sich ein Kind nach seinen mitgebrachten Anlagen entfalten kann, wenn Eltern da nicht mitziehen, weil sie andere Pläne mit diesem Kind haben. Sie sprechen von Liebe, doch nur, wenn das Kind so wird, wie die Eltern es haben wollen. Das hat meiner Meinung nach nicht wirklich etwas mit Liebe zu tun.

Solche Störungen findet man nicht nur in höheren Gefilden einer Gesellschaft, sondern in jeder Schicht können sie auftreten.

Hier geht es um eine Königsfamilie, um die konflikthafte, seelische Entwicklung der Kinder des Staatsoberhaupts.

Zur Erinnerung gebe ich erneut den Klappentext rein:
 Zum 300. Geburtstag des großen Preußenkönigs.» Sein Leben war das traurigste der Welt«, schrieb Wilhelmine von Bayreuth über die Jugend ihres Bruders Friedrich II. (1712 – 1786). Tatsächlich erlebte der junge Friedrich eine harte Kindheit, die geprägt war von der Auseinandersetzung mit seinem Vater Friedrich Wilhelm I. Der Stoff des Dramas ist bekannt: hier der polternde, jähzornige »Soldatenkönig«, dort der zartbesaitete Kronprinz. Und jeder kennt die schreckliche Szene, in der der Vater befiehlt, dass der Sohn der Hinrichtung seines Freundes Katte zusehen muss. Doch war Friedrich Wilhelm I. felsenfest davon überzeugt, das Beste für seinen Sohn und den preußischen Staat zu tun.  Waren die Rollen also tatsächlich so klar verteilt: der Vater der unbarmherzige Richter, der Sohn das unschuldige Opfer?
König Friedrich Wilhelm der I. hatte genaue Vorstellungen davon, wie sich die Kinder zu entwickeln haben. Sein ältester Sohn und seine älteste Tochter wurden regelrecht körperlich gezüchtigt, wenn sie sich nicht nach dem väterlichen Erziehungskonzept verhielten.

Friedrich war ein ganz sensibles Kind. Damit hatte der cholerische Vater Probleme, denn sein Sohn sollte später sein Erbe antreten, Monarch werden, und dazu müsse er einen richtigen, gestandenen Mann abgeben. Hart, mutig, durchgreifend, angstlos, kämpferisch …

Friedrich war alles andere als das. Seine ganze Leidenschaft galt der Literatur, der Musik, der Kunst, kurz gesagt für alles Schöngeistige. Heimlich lernte Friedrich auf der Flöte musizieren.
Zwar wolle Friedrich sich gern mit Menschen unterhalten, >>die etwas wissen und gelernt<< hätten, doch dürfe er keinen anderen Umgang haben als Soldaten. Und auch Friedrichs Schwester Wilhelmine stellte fest: >>nicht die geringste Erholung war ihm vergönnt; die Musik, die Lektüre, die schönen Künste und Wissenschaften waren ebenso viele Verbrechen, welche ihm untersagt waren. Niemand wagte es, mit ihm zu reden; (…) <<.
Diese feingeistigen Aktivitäten wurden ihm alle untersagt. Sie wurden wie schwere Verbrechen geahndet. Selbst die lateinische Sprache wurde ihm verboten zu lernen. Junior Friedrich nahm trotzdem heimlich Lateinstunden, und als der Vater dahinter kam, verprügelte er nicht nur den Sohn, sondern den Lehrer gleich mit.
Viel lieber, als auf die Jagd zu gehen, las Friedrich oder trieb es gleich ganz auf die Spitze: Er setzte sich bei der Jagd einfach hin, ließ >>Hasen wie   Hirsche entwischen<< - und las derweil in einem Buch. Seinem Vorleser (…) erzählte er später, dass es Wilhelmine gewesen sei, die in ihm die Leidenschaft für die Literatur geweckt habe: >>als Knabe wollte ich nichts tun und war immer auf den Beinen. Da sagte meine Schwester … zu mir: > schämst du dich nicht, deine Talente so zu vernachlässigen?< Ich warf mich auf die Lektüre und las Romane. Ich hatte den Peter von der Provence erhascht; man verbot mir, ihn zu lesen. Da versteckte ich ihn, und wenn mein Hofmeister, (…) und mein Kammerdiener schliefen, huschte ich in das Nebenzimmer, wo eine Lampe auf dem Kamin stand; dort kauerte ich mich nieder und las.<< 
Trotz der körperlichen Züchtigungen konnte Friedrich von seinen geistigen Neigungen nicht lassen. Natürlich war er deprimiert über seine Kindheit, sponn jeden Plan aus, sich weiter hinter dem Rücken des Vaters zu bilden. Der Junior, der eines Tages in die Fußstapfen seines Vaters treten sollte, war hungrig nach Bildung:
Friedrich aber begnügte sich nicht mit der vom Vater für notwendig erachteten Grundausbildung, sondern verschrieb sich immer leidenschaftlicher der Musik und den schönen Künsten, während er all jene Dinge, die seinem Vater wichtig waren, mehr und mehr ablehnte. >>In versteckten Gewölben<< veranstaltete der Kronprinz-mit Wissen der Mutter – Konzerte oder bat seine >>musikalischen Freunde in den Wald, wenn der König jagte … während sein  Vater Schweine hetzte, wurden die Flöten und Geigen aus den Jagdtaschen gezogen und im dicken Waldesdunkel wurde konzertiert.<<
Diese Haltung war schon sehr mutig, trotz der vielen Verbote.      
Nur im Geheimen und unter Zittern könne er sich seinen Freuden widmen, klagte der Kronprinz. Der König höhnte seinerseits: >>Fritz ist ein Querpfeifer und Poet. Er macht sich nichts aus den Soldaten und wird mir meine ganze Arbeit verderben.<< Dabei war es ausgerechnet ein Soldat, der die Liebe des Kronprinzen zur Flöte entfacht hatte: Christoph Friedrich  von Rentzell . Der König hatte den jungen Mann selbst zum Waffenmeister der Kadettenkompanie des Kronprinzen ernannt.
Tja, auch unter den Soldaten findet man geistige Genies. Wer hätte das gedacht, lol.

Als der Vater merkte, dass seine Erziehungsmethoden kaum Wirkung auf Friedrich erzielten, wurde er ihm gegenüber immer grausamer, indem er rohe Gewalt anwandte. Er nahm z.B. den Sohn an den Haaren und zog ihn durch das ganze Zimmer. Auch Schwester Wilhelmine, die Friedrich abgöttisch liebte, wurde gezüchtigt. Sie hatte längere Haare ... Doch das an den Haaren ziehen war noch recht harmlos verglichen mit den anderen Gewalttaten  ...

Der Vater machte sich immer mehr Sorgen, dass Friedrich sich nicht zum Monarchen eignen würde. Friedrich versuchte von zu Hause abzuhauen, stand gut mit den Franzosen und den Engländern, des Vaters größter Feind, doch die Flucht gelang ihm nicht.
Friedrich wurde am 5. September 1730 als Gefangener in die Festung Küstrin eingeliefert. Sein Vater hatte zuvor in einer Kabinetts Ordre genau bestimmt, wie er dort festgehalten werden sollte: >>Es soll keiner bei ihm bleiben als ein Kammerdiener und Lakai. Alle … seine Bücher sollen ihm abgenommen werden, und soll kein Buch behalten als die Bibel und das Gesangsbuch von Johann Arndts Wahres Christentum (ein lutherisches Andachtsbuch). Seine Flöte und Musikbücher sollen ihm auch abgenommen werden, und er soll mit keinem Menschen sprechen oder korrespondieren.<< Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Sicherheit des Gefangenen gelegt werden. Mit >>Leib und Leben, Ehre und Gut<< machte er den Kommandanten der Festung dafür verantwortlich, dass sein Sohn keine Möglichkeit zur Flucht erhielt. Selbst das Essen für den Kronprinzen, das in der Stadt zubereitet wurde, sollte daraufhin untersucht werden, ob nicht ein Fluchtwerkzeug darin verborgen sein könnte. 
Ob Friedrich es nun doch schafft, sich dem väterlichen Willen zu beugen?


Mein Fazit

Auf die Frage, ob der junge Friedrich Opfer seines Vaters wurde, oder ob er sich in seiner Eigenart selbst schuldig gemacht hat? Aus meiner Sicht hat der Junior sich keineswegs schuldig gemacht. Er kam mit besonderen Anlagen auf die Welt, auf die er ein Recht gehabt hätte, sie auszuleben. Der Vater war derjenige, der sich an dem Jungen vergriffen hat, demgegenüber war er für mich der Täter. Hätte Friedrich mit seinen Anlagen regieren können? Hätte er auf die Krone verzichten sollen?
Oder müssen Könige bzw. andere Staatsoberhäupter immer vom harten Schlag sein? Ich glaube eher nicht.
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Man kann seine Schuld nicht mildern, wenn man sie eingesteht, 
sondern nur, wenn man anfängt, sich zu bessern.
(Ann Kirchner)


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