Sonntag, 6. April 2014

Kate Pullinger / Eine Liebe in Luxor (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mich gefesselt. Bisher hatte ich noch nichts von der Autorin gelesen und wusste auch nicht, dass sie das Buch Das Piano auch geschrieben hat, und ich lediglich die Verfilmung dazu kenne. Die Autorin schafft es auch hier, historische Ereignisse bestimmter Personen einzubauen, untermalt mit einer recht außergewöhnlichen und exotischen Liebesgeschichte. Das Piano war ähnlich aufgebaut. Mir haben die Literatursprache und der Erzählstil sehr gut gefallen.

Zur Erinnerung gebe ich noch mal den Klappentext hier rein:
England, 1862. Als Lady Duff Gordon von ihrem Arzt nach Ägypten geschickt wird, um dort im trockenen, warmen Klima ihre Tuberkulose auszuheilen, bedeutet das auch für ihr Dienstmädchen Sally ein Exil auf unbestimmte Zeit. So begeben sich die beiden, schwankend zwischen Staunen und Angst vor der exotischen Fremde, gemeinsam auf eine Flussfahrt den Nil hinauf. Begleitet werden sie von Omar, einem erfinderischen Dragomanen und begnadeten Koch. Als Lady Duff Gordon in Luxor ihr Korsett gegen Männerkleider eintauscht, Arabisch lernt und zu wöchentlichen Salons einlädt, beginnt auch Sally, eine ungeahnte Freiheit zu genießen. Doch diese Freiheit hat ihre Grenzen ...
Aus dem Anhang konnte entnommen werden, dass Lady Duff Gordon tatsächlich existiert hatte, so wie auch deren Zofe Sally Naldrett. Eine reine biografische Erzählung ist das Buch aber nicht. Details und Inhalt sind mit eigenen Ideen und Fantasien der Autorin umwoben.

Sally Naldrett ist die Icherzählerin dieses Romans und auch die Hauptfigur.

Sally Naldrett wurde schon im Alter von zwölf Jahren in den Dienst der Hausbotin gesteckt. Sie und ihre Schwester, als ihre Eltern von einem Zugunglück tödlich erfasst wurden, und die Tante für die Mädchen nicht aufkommen wollte.

Eine eigene Persönlichkeit konnte Sally dadurch nicht entwickeln. Sie war ganz für ihre Herrin da. Mittlerweile ist Sally schon über dreißig.
In Wahrheit war ich für sie kein richtiger Mensch.Ich war kein vollständiger Mensch, und es war dieser Gedanke oder diese Gedankenlosigkeit, die sie trieb und handeln ließ, wie sie es tat. Sie liebte mich, ohne Frage, das wusste ich und hatte mich darin sicher gefühlt, bis mir aufging, dass sie mich liebte, wie man ein gehätscheltes Haustier liebt. Ich gehörte zum Hintergrund, war Teil der Kulisse und, wenn sie Gäste unterhielt, ein nützliches Bühnenrequisit. Sie behandelte ihre Angestellten gut, und ich stand ihr am nächsten; in jenen späten Jahren habe ich alles für sie getan. Ich wurde ausgewählt, sie auf ihrer letzten langen Reise zu begleiten. Dennoch war ich für sie kein richtiger Mensch, keine lebendige Seele mit all ihrem Vermögen, den Stand der Gnade oder des Scheiterns zu erfahren. Es war mein Fehler, das nicht erkannt, nicht von Anfang an verstanden zu haben. Als ich Unrecht handelte, wurde ich entlassen, ich war nicht länger von Nutzen für sie. Nein, schlimmer noch: ich wurde entfernt, rausgeschnitten, als wäre ich Teil einer furchtbaren Krankheit, ein faulender, bösartiger, überflüssiger Auswuchs, den man loswerden musste. (7)
Diese Zeilen stehen schon auf den ersten Seiten und konnte noch nicht Richtiges damit anfangen. Erst später war klar, was damit gemeint war. Die Engländer waren dafür bekannt, Hausangestellte zu halten, die ganz für ihre Bedürfnisse da sein mussten. Natürlich war dies zwar eine bezahlte Beschäftigung, dennoch hatten die Bediensteten kein eigenes Leben. Hat mich ein wenig an das Sklavenleben in Amerika erinnert. Nur ein wenig in abgeschwächter Form. Die Dienstboten besaßen auch keine eigene Wohnung. Einmal im Monat hatten sie einen freien Tag.

Ein recht emanzipiertes Buch, als schließlich beide Frauen sich von ihrem Korsett befreien und sich in Männerkleidung begeben, da die trockene Hitze in Ägypten unerträglich wurde.

Sally ahmt, was die Kleiderordnung betrifft, ihrer Herrin nach:
Seit meiner Kindheit war ich nicht mehr ohne Korsett aus dem Haus gegangen. Zum ersten Mal hatte ich es zur Beerdigung meiner Eltern getragen; damals hatte ich das Gefühl, von dem Kleidungsstück zusammengehalten und gestützt zu werden, und mich seither darauf verlassen. Hier in Luxor fühlte ich mich ohne nun vollkommen entblößt und glaubte, alle Welt würde mich anstarren. Auch unter dem steifen Insulinkleid erschienen mir die Schultern und Arme locker und freier, ein eigenartiges Gefühl, als hätte ich mit dem Korsett auch mein Rückgrat abgelegt und mich in ein quallenartiges Geschöpf verwandelt, biegsam und durchlässig. (62)
Das Hauptthema des Buches ist die Liebesgeschichte zwischen Sally und dem Dragomanen Omar. Ihr erstes Liebeserlebnis, ihre erste Beziehung. Sally wurde von Omar schwanger. Beide beschließen, zu heiraten. Sally wäre dann die zweite Frau von Omar. Sally verschweigt ihrer Herrin die Schwangerschaft. Bis zur Entbindung konnte die Schwangerschaft verheimlicht werden:
Ich blicke mit einer gewissen Verwunderung auf jenen Herbst in Kairo zurück. Da war ich hochschwanger, und niemand hat es bemerkt. Nicht einmal meine Schwester Ellen. Wie ihre Herrin Mrs. Ross war meine Schwester nicht damit einverstanden, wie meine Lady und ich lebten, nicht damit einverstanden, wie wir uns kleideten und die einheimischen Bräuche angenommen hatten, wie ich mit Omar auf dem Markt einkaufen ging und wir gemeinsam mit unserer Lady auf dem Boden um ein Silbertablett sitzend aßen, und diese Missbilligung machte sie so blind, dass sie mich nicht richtig sehen konnte. Selbst der neue englische Arzt meiner Lady, der mir nur wenige Tage vor der Geburt meines Kindes in Kairo begegnet war, hat nicht das geringste vermutet; er war zu sehr über die Gesundheit meiner Lady besorgt und damit beschäftigt, unseren Medizinschrank aufzufüllen (…) (141)
Lady Gordon wurde vor vollendete Tatsachen gestellt, als es schon zu spät war, und Sally in den Wehen lag. Omar half Sally bei der Entbindung, und als er nicht weiter wusste, rief er Lady Gordon zu Hilfe. Es war mitten in der Nacht, und die Lady musste geweckt werden.

Nun beginnt hier das Drama. Lady Gordon meidet nun jeglichen Kontakt zu ihrer Zofe und beabsichtigt, sie wieder zurück nach England zu schicken, während der Säugling zu den Eltern Omars abgegeben werden sollte, wo seine erste Frau und die gemeinsame Tochter leben. Sally will ihr Kind behalten. Sie liebt es abgöttisch …
Lady Gordon macht Sally für diese Beziehung allein verantwortlich. Sally sei schmutzig und verdorben. Sie allein habe Omar verführt. Diese Worte gebrauchte sie auch Omar gegenüber.

Mittlerweile waren Sally und Omar verheiratet. Lady Gordon erkennt die Ehe mit Omar nicht an und möchte sie annullieren lassen, wendet sich auch an den Bürgermeister und den Scheich von Kairo.

Lady Gordon zu Omar:
Das englische Recht erkennt nur deine erste Ehefrau an, sie allein, deine Ehe mit Sally wird nie offiziell anerkannt werden. In den Augen des englischen Rechts ist Sally,Naldrett eine Ehebrecherin. (…)
Der Bürgermeister kluckste, ohne den Blick zu bemerken, mit dem Scheich Yussuf ihn bedachte. >>Das ist unnötig, Lady Gordon, (...) das englische Recht gilt in Ägypten nicht. Hier müssen sie sich um den Khediven Sorgen machen, und Ismael Pascha wird es nicht allzu sehr bekümmern, dass Omar Abu Halawy zwei Ehefrauen hat.<<
Omar, der von Lady Gordon abhängig ist, der Verdienst in ihrem Haus geht an seine Familie und an seine Eltern, bei der seine Frau und die kleine Tochter untergebracht sind.
Omar stand, die Fäuste hinterm Rücken geballt, ruhig und gefasst da und sagte nichts. (165)
Sally kämpft um die Beziehung mit Omar, kämpft vor allem auch um ihr Baby. Sie kämpft um ihr Bleiberecht.

Ein letztes Zitat, lest dann selbst, wie die Geschichte sich weiter entwickeln und wie sie ausgehen wird.
Am Anfang war mir die Leidenschaft fremd. Mir war die Liebe an sich fremd. Und ich gebe zu, ich war gierig; nachdem ich beides gekostet hatte, hatte ich Hunger auf mehr. Nach dem Tod meiner Eltern konnte meine Tante Klara nicht für mich und meine Schwester sorgen; ich wurde früh in Stellung geschickt, und niemand auf der Welt kümmerte sich um mich. (167)

Mein Fazit

Ich konnte nicht glauben, was sich reiche Leute anmaßen, Menschen zu besitzen und über ihr Leben zu bestimmen. Sie besitzen das Leben anderer Leute für ihre eigenen egoistischen Zwecke, weil sie zu bequem sind, sich ihr Leben selbst auszurichten.

Nichts Neues, erstaunt mich aber immer wieder aufs Neue.

War es nicht Sally gewesen, die alles gab und das Leben ihrer Herrin mehr als einmal zu retten pflegte?

In dem Buch wird natürlich auch einiges über die Kultur Ägyptens behandelt. Schön, die Bootsfahrten mitzuerleben, über den Nil und deren Landschaft drumherum. Auch fand ich es rührend, als Sally und Lady Gordon selbst wie Araberinnen aussahen, die nicht nur wegen ihrer angepassten Kleidung, auch durch die Haut, stark sonnengebräunt war… Das milde Klima verglichen mit dem nassen England tat der Lady gut. Und sich in einer anderen Kultur zu bewegen, galten beide Frauen in Ägypten schon fast assimiliert. Allerdings hatte Sally anfangs große Schwierigkeit, mit der fremden Kultur zurechtzukommen. Alles war exotisch, selbst der Himmel, die Sterne und der Mond waren anders als in England, *lach*.. 

Und  Lady Gordon schaffte es, ihr Leben im Ausland um sieben weitere Jahre zu verlängern. In England wäre sie schon längst an ihrer Lungenkrankheit gestorben. Vieles war ihrer Zofe Sally zu verdanken, die einen großen Einsatz zeigte und über jede Menge medizinische und praktische - chirurgische Kenntnisse verfügte. Sally hat es eigentlich nicht verdient, von ihrer Herrin verstoßen zu werden.

Das Buch erhält von mir zehn von zehn Punkten.

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In der Musik spricht man mit Gott
(Erik Fosnes Hansen)

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