Donnerstag, 10. Oktober 2013

Friedrich Torberg / Der Schüler Gerber (1)

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Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Ich bin sicher, dass es solche SchulpädagogInnen wie im Buch beschrieben heute nicht mehr gibt. Mich hat das Buch sehr an den Film Der Club der toten Dichter erinnert, in dem die strengen Anstaltsregeln über den Bedürfnissen und Interessen  der SchülerInnen stehen. Der Autor Torberg gebraucht nicht den Begriff Schule, nein, er gebraucht den Begriff Anstalt. Der Begriff Anstalt wirkt auf mich eher negativ mit einer kalten und repressiven Atmosphäre im Hintergrund, wo junge Menschen nicht wie Individuen betrachtet werden, sondern eher wie Maschinen. Ein Gefängnis z.B. wird ja auch im einfachen Sprachgebrauch als eine Anstalt bezeichnet. Und einen sog. Gefängnischarakter hatten auch die damaligen öffentlichen Bildungssysteme oftmals bis zur Mitte des 20. Jhrd.. Die SchülerInnen reagierten dementsprechend auffällig auf das gestörte System und mussten mit schweren Sanktionen rechnen.

Mir fällt auch der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard ein, der in seinen Autobiographien die Schule ebenso als eine Anstalt darstellt, in der das Kind in seiner persönlichen Entwicklung eher behindert als gefördert wird. Bernhard fordert die Abschaffung aller öffentlicher Schulen und setzt auf eine Förderung über einen privaten Lehrer. Bernhard selbst sah seinen Großvater eher als seinen Lehrer an, von dem er mehr gelernt hatte als von seinen Lehrern, die ihn eher gedrillt und gezüchtigt hatten.
Sie zertrampeln eure Seelen, sie beugen euren Rücken, sie knebeln euren Willen, sie drücken euch und betrügen euch und reißen euch das Herz aus dem Leib, damit ihr nichts merkt - und ihr lebt. Lebt und lächelt. Und wundert euch, wenn einer schreit. (301)
Dieses Zitat von Torberg hätte auch von Thomas Bernhard sein können..

Der Protagonist des Romans ist Kurt Gerber, der kurz vor der Matura steht. Zehn Monate müssen die Schülerinnen und Schüler noch ertragen, bis sie aus dem Realgymnasium bei bestandener Abiturprüfung entlassen werden.

Zur Erinnerung noch einmal der Klappentext:
Kurt Gerber ist ein begabter Schüler und steht kurz vor der Reifeprüfung. Einziges Problem: Der herrschsüchtige und sadistische Professor Kupfer quält ihn ständig mit seinem schwachen Fach Mathematik. Kupfer unterrichtet aber nicht nur Mathematik, sondern ist auch noch der Klassenlehrer und nutzt jede Gelegenheit, die Schüler zu demütigen. 
Ich musste an meine eigene Schulzeit zurück denken und auch an meine Prüfungsängste hauptsächlich auf der höheren Schule und der Universität. Doch wer kennt das nicht, sich mit Prüfungsängsten zu plagen? Aber einen solchen Pädagogen, der alle Schüler unter einen Generalverdacht stellt, in dem alle Schüler als dumm bezeichnet werden. So jemanden hatte ich in meiner Schulzeit nicht zu beklagen. Die meisten LehrerInnen, die ich bekam, waren doch eher konstruktiv und zeigten sich wertschätzend, wenn man sich um den Lehrstoff bemühte, während der Professor Kupfer eher alles tut, um seine Schüler zu schwächen... . Das ist noch zu nobel ausgedrückt, nein, er drückte sie nieder, er demütigte sie. Er brach ihnen quasi das seelische Rückgrat... . Vor allem dem Schüler Gerber, der eigentlich mit Ausnahme der Mathematik sich in den anderen Fächern als ein begabter Schüler zeigte. Gerber durchschaut das System seiner Einrichtung, kommt aber nicht dagegen an. Professor Kupfer hat es ganz besonders auf ihn abgesehen doch Gerber sieht es als eine Herausforderung, mit Kupfer fertigzuwerten.
Dieser Gerber! Kupfer freute sich auf ihn wie ein Kind auf ein neues Spielzeug: er wollte ihn ruinieren. Nicht zuletzt darum hatte Kupfer seine Berufung zum Vorstand der Oktava so eifrig betrieben. Die ganzen Jahre hindurch, wenn die Professoren über eine neue Untat Gerbers klagten, sich machtlos erklärten vor seiner Widerspenstigkeit, die so ganz anders war als die der übrigen - immer hatte Kupfer mit beleidigender Verwunderung gesprochen:  >>Ich staune, Herr Kollega, dass Sie mit diesem dumm dreisten Würstchen nicht fertig werden können!<< (28)
Den Ausgang des Romans lasse ich offen. Obwohl ich damit gerechnet habe, kam für mich das Ende doch recht überraschend und hat zum Nachdenken angeregt.

Dennoch stellt sich mir diese Frage, ob das Buch heute überhaupt noch aktuell ist?

Ich gebe dem Buch zehn von zehn Punkten. Es ist sehr gut geschrieben, die Personen treten authentisch auf und es regt zum Nachdenken an!!!
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Gelesene Bücher 2012: 94
Gelesene Bücher 2011: 86


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