Freitag, 7. Juni 2013

Erich Maria Remarque / Zeit zu leben und Zeit zu sterben (1)

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Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre


Wie alle Remarque - Bücher so hat mir auch dieses Buch gefallen. Gefallen in der Art, dass es meine Aufmerksamkeit gefordert hat. Denn wem gefallen schon solche Themen wie Kriege, Verbrechen und Unmenschlichkeit.
Remarque kennt keine Tabus, er bricht sie allesamt und drückt sie völlig ungeschminkt aus. Frauen, die von russischen Soldaten vergewaltigt wurden, und sie mit der Vergewaltigung alleine blieben, da sie von ihren Ehemännern missgedeutet wurde... . Jünglinge, kaum aus den Kinderschuhen entwachsen, wurden mit den Massentötungen konfrontiert und ihnen ausgesetzt. Hierzu lieferte Remarque brutalste Bilder. Darin waren auch Kinderleichen abgebildet. Der Krieg kennt keine Grenzen, was das Töten von Menschen betrifft.

Zeitgenossen lehnten Remarques Bücher auch noch nach dem Ende des Krieges ab und warfen ihm vor, dass er kein Kriegserfahrener sei und sich schließlich nur im Exil verdrückt habe... .
Die zentrale Frage des Buches ist, ob ein Soldat ein Mörder oder ein Held ist? Ich finde, dass diese Frage nicht leicht zu beantworten war, wobei für mich jeder Mensch, der einen anderen tötet, ein Mörder ist.  Wer sind die Guten und wer sind die Bösen? In dem Buch fand ich eine Textstelle, die diese Frage für mich ein wenig relativiert hat.

Der Protagonist und Soldat des Romans Ernst Graeber erhält nach zwei Jahren Dienst an der Front endlich Urlaub. Als er in seine Heimat zurückkehrt, erkennt er seine Stadt nicht wieder, da sie völlig zerstört, zerbombt vor ihm lag. Auch seine Eltern kann er nicht mehr finden... . Ernst macht innerlich dadurch eine Wandlung durch und stellt sich viele Fragen als Mensch und als Soldat und durchläuft während seines dreiwöchigen Urlaubs eine völlige Bewusstseinserweiterung:
Soll ich wieder zurück an die Front? Ich kann mich weigern. Dann werde ich gehängt oder erschossen. Oder ich kann desertieren. Dann werde ich ziemlich sicher in kurzer Zeit gefangen - man kann sich da auf die Organisation und die Informanten verlassen. Und wo kann ich mich verstecken? Jeder, der mir Schutz gibt, riskiert selbst sein Leben. Abgesehen davon werden sie Rache an meinen Eltern nehmen. Das mindeste wäre Konzentrationslager für sie. Sie werden dort sterben. Was kann ich sonst tun? Zurückgehen an die Front und nichts tun, um mich zu verteidigen? Das wäre Selbstmord. (185)
Ausweglosigkeit? Ja, dieses Gefühl hatte ich nach dem Lesen dieser Textstelle. Deswegen möchte ich auf keinen Fall mit den damaligen Menschen ins Gericht gehen. Jeder Täter war gleichzeitig Opfer seiner Zeit. Im Krieg gibt es keine Gewinner, sondern nur Verlierer im übertragenen Sinn. Das ist nicht das erste Mal, dass man sich mit solchen Fragen beschäftigt und hoffe, es wird auch nicht das letzte Mal sein. Der Nationalsozialismus hat aus den Menschen Bestien gemacht. Auch unter den Zivilisten... . Vielleicht wäre es besser, sich dagegen zu stellen, auch auf die Gefahr hin, das eigene Leben zu risksieren, denn riskieren tut der Mensch, der Soldat an der Front sein Leben auch. Helden sind für mich nämlich nicht die Soldaten, sondern die Menschen, die für das Leben kämpfen, statt Leben zu zerstören... . Der Soldat führt Befehle aus und glaubt damit Gutes zu tun... .
Interessant fand ich die Rassentheorie und welche Auswirkungen diese auf die Soldaten hatten:
"Russen sind Arier. Wir waren mit ihnen verbündet. ""Es sind Untermenschen. Bolschewistische Untermenschen. Keine Arier. So sind die Bestimmungen."
"Du irrst dich. Polen, Tschechen und Franzosen sind Untermenschen. Die Russen befreien wir von den Kommunisten. Sie sind Arier. Die Kommunisten natürlich ausgenommen. Vielleicht keine Herrenarier wie wir. Einfache Arbeitsarier."
"(...) Wir sind Herrenmenschen, das ist klar. Die anderen sind Untermenschen. Aber was sind nun eigentlich einfache Menschen?"
" Schweden. Oder Schweizer."
"Wilde. Weiße Wilde natürlich." (72f)
In Remarques Büchern ist immer auch eine Liebesgeschichte gepackt. So auch in dem hiesigen Buch.  Hier erfährt man, wie Ernst Graeber sehr schnell eine Bindung zu einem Mädchen eingeht, die ihm von Kindesbeinen oberflächlich bekannt ist und sie ihm damals nicht wirklich sympatisch war, änderte er seine Einstellung zu dem Mädchen, so dass die Beziehung noch innerhalb seiner Urlaubszeit verehelicht wurde, ohne dass sich die PartnerInnen auch wirklich gegenseitig kennen. Das Mädchen selbst ist kein gewöhnliches Mädchen. Der Vater lebte recht auffällig, nicht im Sinne der Nazis, kam dadurch ins KZ, so dass das Mädchen immer auf der Hut sein musste, um das eigene Leben und das Leben ihres Vater nicht noch weiter zu gefährden... . Krieg kann einsam machen, und nachdem Ernst seine Eltern vorerst nicht wiedergefunden hat, sucht er in der Partnerschaft etwas Stabilisierendes. Doch er macht die nüchterne Erfahrung, dass die Ängste über die Ehe eher noch zugenommen haben, indem er nun nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Frau zu befürchten begann.

Dadurch, dass es in dem Buch ein Nachwort gibt, mit ähnlichen Zitaten, wie ich sie im Buch auch markiert habe, werde ich meine Buchbesprechung hierzu nicht unnötig ausweiten. Tim Westphalen, ein Literaturwissenschaftler, kann die Eindrücke im Nachwort zu dem Buch besser beschreiben als ich es tue und beende hiermit meine Buchbesprechung.

Insgesamt erhält das Buch von mir zehn von zehn Punkten, da Remarque es gelungen ist, die Figuren in dem Buch authentisch wiederzugeben. Das Thema fand ich nicht übertrieben dargestellt, nein, ebenso das Thmema habe ich auch recht wirklichkeitsnah erlebt.

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Jeder war wahrscheinlich für irgendjemand ein guter Mensch. Und für einen andern das Gegenteil.
(Erich Maria Remarque)

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