Mittwoch, 6. Februar 2013

Ariel Denis / Stille in Montparnasse (1)

Eine Buchbesprechung zur o. g. Lektüre

Das Buch hat mir nicht besonders gut gefallen. Es ist arg monologisch aufgebaut. Einige Gedanken finde ich recht gut. Ich schreibe sie hier auf, aber ansonsten war ich froh, als ich auf die letzte Seite gelangt bin und ich es wieder zuschlagen konnte. Aber es kann durchaus sein, dass ich jetzt in der Nachbereitung viel Gutes dem Buch abgewinnen werde, und ich es anders bewerten werde.

Es geht eigentlich recht viel um kulturelle Defizite innerhalb der Gesellschaft wie z.B durch Sport und durch Unterhaltungsmusik. Ich möchte dies an Textstellen belegen:
" (…) Wer für den Sport ist, hat die Massen auf seiner Seite, wer für die Kultur ist, hat sie gegen sich, deshalb sind immer alle Regierungen für den Sport und gegen die Kultur (…). " 18
Tja, da können die Politiker ja auch regieren wie es ihnen beliebt.

Aber hauptsächlich geht um Musik. Musik, die laut ist,  laute Discomusik, die verblöden lässt. In schlechter Musik würde die gute Musik untergehen. Gute Musik würde nach Stille schreien, schlechte nur nach Lärm.
Ohne Musik wäre das Leben ein einziger Irrtum.

Wenn man nicht weiß, wie man etwas ausdrücken soll, dann soll man es nicht sagen, sondern es einfach singen. lol

Der Autor lehnt jede Form von Musik ab, die aus Discomusik und Schlagern besteht. Ich finde, dass er ein wenig arg pessimistisch über die Musik spricht. Es kann nicht jeder eine Zuneigung zur Klassik haben. Seine Kritik ist aber aus meiner Sicht dort berechtigt, wo man Musik aufgedrängt bekommt, wie z.B. in den Kaufhäusern.... . :
"Ihr jungen Discodeppen, ihr alten Neoklassiker aus den Vorstandsetagen, ihr debilen Ideologen der Jugendmusik und der rappenden Postmoderne, ihr ministeriellen Musik - ist-gleich - Musik-Demagogen, ihr Sturköpfe der niederbretonischen Folklore und des Bantu Singsangs, die widerlichen Einheitssoßenmoderatoren, Ruhe, seid endlich ruhig, wer nicht ohne Mikrofon singen kann, soll gehen, wer auf Englisch plärrt, soll den Mund halten, wer behauptet, er würde in Diskotheken auf und Rave-Partys Musik hören, soll bei Tagesanbruch für immer verschwinden, wer Schlagzeug spielt, soll abhauen, ruhe, seid endlich alle ruhig, Rockerinnen und Rocker, Raperinnen und Rapper, Fummler und Zappa, ihr Wanderer ohne Wanderung und die Spaziergänger auf Rollen, ihr Musikjogger und Läufer im Lärm, Träger von Handys mit der kleinen Nachtmusik oder den ersten Takten der fünften Sinfonie, taube Ohren, schreiende Münder, Radio, Fernsehen, Musik für Moneten, Kaufhaushintergrundmusik und die von Flughäfen und von überall, es reicht, zu viele Töne, zu viele Trommel, zu viele Zeugs aller Art, es reicht, seid endlich ruhig, basta la-musica, Stille, nichts als Stille und nur Stille - der Vorhang öffnet sich, das Klavier prälidiere und Hermann Pray beginne zu singen." 47 f.

Anders auf politischer Ebene, als es heißt, dass das Volk mit der der Unterhaltungsmusik zur Volksverdummung führen würde. Auf Seite 104 und folgende spricht der Autor davon, wie den Menschen schlechte Musik aufgedrängt wird, damit die Politiker von sich abgelenkt werden konnten:
" (…) Man zwingt uns unerträgliche Musiken auf, weil man die Musik in Wirklichkeit verachtet, weder kann man Musik ganz normal hören, noch ganz normal lieben, und man rächt sich dafür, in dem man uns in Musik ertränkt, wie ist es möglich, nach Ausschwitz eine schöne Melodie zu hören oder zu komponieren, wir sind dazu verdammt, unter der Musik zu leiden, weil wir sie auf kriminelle und beachtenswerte Weise benutzt haben und es immer noch tun, aus der ersten der Künste ist eine schuldige und erniedrigte Kunst geworden, die universelle Liebe zur Musik ist nichts anderes als das abscheuliche Martyrium der Musik, das bis zur Erfindung der sogenannten Féte de la musique reicht, weil wir den Konzentrationslagern Orchester spielen ließen, weil wir in der Hölle Kinder und Sterbende singen ließen, weil sie es zugelassen haben, dass aus der Kunst der Engel eine Kunst der Dämonen wurde, weil wir die teuflische Möglichkeit erfunden haben, die schönsten Stücke zerstreut und damit beachtenswert zuhören, darum wurden wir dazu verdammt, die Unschuld der Musik zu verlieren, die tonale Einfachheit nicht mehr ertragen zu können, (…)." 104 f.
Dieses Zitat hat mich sehr berührt... , indem Musik benutzt wurde, um von der politischen Kriminalität, der Grausamkeit und der Entmenschlichung abzulenken... Im nächsten Zitat folgt ein Beispiel, wie Musik von der Gesellschaft konsumiert wird.
"(der) millionen und abermillionen junger (und nicht mehr so junger) Dummköpfe glauben lässt, sie lebte im wunderbaren Zeitalter der weltweiten Verbreitung der Musik, für diesen Komfort zahlen wir ständig einen ungeheuren Preis, in dem man uns zwingt, all die abscheulichen weltweiten Discothekenmusik anzuhören, diese entsetzliche Strafe ist uns auferlegt, überall auf der Straße,Horror im Zug, im Flugzeug, sie verfolgt uns bis auf die Toilette, das unerträgliche Zweiertakt-Gehämmere des zusammengefummelten Schlagzeugs, das einen im Hotelzimmer mitten in der Wüste oder am Meer am Lesen hindert und einen nicht schlafen lässt, und wir entkommen dem so wenig, wie sich die Verdammten in der Hölle keine Sekunde den Blick der sie peinigenden Dämonen entziehen können, das ist unsere Strafe: die Musik, die uns die Musik hassen lässt (...).  75.
Also, dieses Zitat hat mich schon auch überzeugt. Aber ich würde jetzt Pop-Musik nicht generell als schlecht begreifen. Auch hier gibt es Unterschiede. Aber ich verstehe auch, dass durch zu viel (schlechte) uns aufdrängende Musik viel Lärm entstehen lässt.

In Frankreich scheint mittlerweile selbst in Museen die Musik zu laufen. Ist mir jetzt bei uns in Germany noch nicht aufgefallen.

Der Buchtitel, Ruhe in Montparnasse als Gegenmittel, was es nämlich nicht ist:
" (…) Der Bahnhof Montparnasse, ein krasses modernes Dekor aus disharmonischen Bruchstücken von beunruhigend zersprengter Einheit, unter dem grauen Himmel des grünen Frühlings, im Sirenengeheul eines Krankenwagens, der in Richtung Hopital Cochin rast - merkwürdig, es heißt Sirene, früher waren Sirenen doch Zauberinnen, deren wundervoller Gesang die Sterblichen in ihrem Innersten aufgewühlte, heute sind Sirenen technische Apparate, die uns mit ihrem apokalyptischen Geheul Bomben, Brände, Unfälle, Krankheit und die Polizei verkünden, so sieht der Fortschritt aus, (…)." 10f. 
Die Quintessenz des Buches lautet für mich also; es ist zu laut in der Welt; es entsteht eine Sehnsucht nach Stille, nach Ruhe, in der die gute Musik, geboren aus der Stille, unterdrückt wird, oder gar untergeht, denn wie die Natur so habe auch die Musik ein Recht auf Stille, 79. und nur in der Stille könne der Mensch Zuflucht finden. Die Unterhaltungsmusik sei dermaßen überflutet, dass diese zum neuen Leitbild einer Musikgesellschaft geworden sei.

Was ich nicht mit dem Autor teile, ist, dass ich nicht glaube, dass es in Zukunft keine Komponisten mehr geben werde, um gute klassische Musik in die Welt zu rufen.

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„Musik ist eine Weltsprache“
         (Isabel Allende)

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