Sonntag, 2. September 2012

Isabel Allende / Das Portrait in Sepia (1)


Eine Buchbesprechung der o. g. Lektüre

Ich habe das Buch nun beendet und es hat mir genauso gut gefallen wie alle anderen Allende - Bücher auch. Jede Menge weltliche Themen sind in dem Buch gepackt, was mich sehr anspricht, vor allem, wenn  sie von einer Autorin geschrieben sind, die sich nicht nur um viele Liebesthemen dreht. Nein, sie schreibt zwar auch über Liebesgeschichten, aber sie greift auch viele politische Themen auf;  zu den Kriegen Lateinamerikas um 1880 herum und später. Über den Kampf um Menschen- und Frauenrechte, über die unterschiedlichen Weltreligionen und deren Handhabung, über den Rassismus Amerikas und den von China innerhalb von Amerika (Chinatown). Sie schreibt über die Kinderprostitution und Menschenhandel mit Frauen und Kindern, und auch über das Leben innerhalb der Aristokratie in Chile...  . Sie schreibt über den Kampf zu Gerechtigkeit innerhalb der verschiedenen Klassen.
Die Widerstandskämpfer setzten sich für eine gerechtere Welt ein, denn sie waren der Meinung, dass

 Die Gesetze von den Starken erfunden (wurden), um die Schwachen zu beherrschen.

Dieses Zitat hat mich recht nachdenklich gestimmt und ich mir die Frage gestellt habe, wie kann das möglich sein, dass es einer Minderheit gelingt, eine Mehrheit zu lenken? Und das nicht nur bei Allende im Buch, nein, auch gegenwärtig und überall ist das tatsächlich so. Wieviel Macht von den Herrschenden ausgeht, ist ein wenig absurd, finde ich, aber wahr.

Was der Rassismus in Amerika betrifft, so war dieser dermaßen ausgeprägt, dass sich viele  AmerikanerInnen nicht vorstellen konnten, dass Menschen anderer Hautfarbe auch zur Menschenrasse zählten.

Die vielen Kriege Chiles, Salpeterkrieg 1880 und verschiedene Bürgerkriege, Partisanenkriege im übrigen Teil von Südamerika, zeigen das selbe Kriegsgesicht, wie die Kriege von europäischen AutorInnen, wie z.B: Fallada, Remarque, Borchert u.a.m. . Es ist egal, in welcher Sprache der Krieg dargestellt wird, das Gesicht ist immer dasselbe, wenn der Krieg nicht heroisiert wird, wie dies in rechter Literatur der Fall ist. Doch auch hier gibt es Figuren, die als Helden in den Krieg ziehen, um für ihr Vaterland zu kämpfen, und kommen verkrüppelt völlig entideoligisiert zurück.Ähnlich wie Borchert, der hochmütig in den Krieg zog und aber als Pazifist zurückkehrte.
Es gibt aber auch andere, die aus purer Überzeugung immer wieder in den Krieg ziehen, ohne dass der Krieg sie verändert hat... . 

Die Protagonistin des Romans nennt sich Aurora del Valle, der ein recht widriges Schicksal widerfahren ist, da ihre Mutter, Lynn Sommer, eine bildhübsche aber recht naive neunzehnjährige Frau, stirbt bei ihrer Geburt. Der Vater von Aurora verleugnet die Vaterschaft. Er hatte an Lynn ein einziges Interesse, und das war, Lynns Körper vor seinen männlichen Freunden nackt vorzuführen, als er eine Wette abschließt, dass Lynn sich darauf einlassen wird.. .

Aurora wird in den ersten fünf Lebensjahren von Lynns Eltern in Kalifornien großegezogen. Eliza, Lynns Mutter und die Großmutter von Aurora ist mit einem Chinesen verheiratet, aber die Vermählung zwischen einer Amerikanerin und einem Chinesen wurde nicht anerkannt. Trotzdem leben sei wie ein Paar. aber in der amerikanischen Gesellschaft so unauffällig wie möglich. Ihr Mann Mao, ein chinesische Mann, ist ein hochangesehener Arzt und beherrscht die Kunst der Akupunktur. Als Lynn unter seinen Händen während der Geburt stirbt, macht er sich als Arzt große Vorwürfe.
Großvater Mao widmet sich ganz der Erziehung seiner Nichte und so wächst Aurora in den ersten fünf Jahren zwischen mehreren Welten auf. In Amerika, Kalifornien, im Stadtteil Chinatown, indem nur nach Amerika eingewanderte Chinesen leben, das geprägt ist von Mafia, Korruption, (Kinder)Prostitution und Kriminalität.

Im Alter von fünf Jahren wird Aurora Zeugin, als ihr Großvater in Chinatown von organisierten Banden  überfallen und körperlich dermaßen verletzt wird, dass er ein paar Tage später seinen Verletzungen erlag. Eliza hat nicht mehr die Kraft, Aurora alleine aufzuziehen, und gibt sie an den Großeltern väterlicherseits, ohne dass das Kind darauf vorbereitet wird. Die Großmutter Pauline Rodriguez, die sich schon immer ein kleines Mädchen gewünscht hat aber nur drei Jungen geboren hat, mittlerweile alle im erwachsenen Alter, nimmt die Kleine bei sich auf. Pauline und ihr Mann gehören zum Adelsgeschlecht aber  als recht ungebildet wird die Großmutter beschrieben. Sie besitzt eine mehrstöckige Bibliothek, ohne dass sie jemals ein Buch daraus entnommen und gelesen hat. Das hat mich auch an Marcel Proust erinnert, der dasselbe berichtet hat von der französischen Aristokratie, wo wenig gelesen wird, aber über prunkvolle Bibliotheken verfügen. Die Großmutter Paula verschweigt Aurora die Herkunft und klärt sie nicht darüber auf, dass ihr Sohn Matias der Erzeuger von ihr ist.

Als Auora erwachsen wird, ist sie ständig auf der Suche nach ihren Wurzeln, nach ihrer Identität. Schon als Kind stellt sie immer wieder die Frage, wer denn nun der Vater sei. Als gesetzlicher Vater hat sich der Neffe von Pauline, Severo, einschreiben lassen, der sich zu Lynn stark hingezogen fühlte und sich mit ihr noch kurz vor ihrem Tod verheiratet hat. Und so findet für Auora die lebenslange Suche nach ihrer Herkunft statt. Am Schluss findet sie alle Teile, die sich wie ein Puzzle zusammenfügen lassen.

Interessant fand ich auch in Chile die verschiedenen Lebensformen, geteilt zwischen Tradition und Moderne. Die Rollen waren vorgeschrieben, und besonders Mädchen wurden schon recht früh auf Haushalt, Heirat und Kindergebären vorbereitet. War ja in Europa zu dieser Zeit nicht anders. Fragen, weshalb Frauen wenig intelligent waren als ihre Männer, darf man sich mit diesem Hintergrund so nicht mehr stellen, denn sie wurden zu Hausfrauen, Mütter ... schon sehr früh erzogen. In China wurden viele Mädchen, wo die Tradition den Vorrang hat, wie sinnlose Gegenstände weggeworfen, ertränkt, ermordet und niemand wurde dafür strafrechtlich verfolgt. 
Die Mädchen waren sexuell nicht aufgeklärt, und es galt als verpönt, schwangeren Frauen auf den Bauch zu schauen. Es gehörte sich nicht und so blickten die Leute auf der Straße weg, wenn sie einer Schwangeren begegneten. 
 Viele junge Frauen wurden schwanger, noch bevor sie wussten, wo die Kinder herkommen. Aurora stellt diese Frage recht früh und sieht bei ihrer schwangeren Tante Nivea den dicken Bauch und erkundigt sich diesbezüglich bei ihrer Großmutter, die ihr zur Antwort gibt, Nivea habe eine Melone verschluckt.

Über die SüdamerikanerInnen herrschten die selben Vorurteile, wie man sie noch heute recht einseitig gegenüber den SüdeuropäerInnen zu hören bekommt, mit den Attributen, sie seien faul, schmutzig, die Männer seien Weiberhelden, gebärfreudig u.v.a.m.

Paula Rodriguez ist politisch eher konservativ orientiert und verachtet alle Sozialisten. Sie selbst gilt allerdings in der Familie als Matriarchin, die auch ohne das Frauenwahlrecht eine Menge zu sagen hat. Demnach ist sie gegen das Wahlrecht für Frauen, da Frauen dumme Geschöpfe seien, die, würden sie wählen dürfen, mit der Wahl nur Unheil anrichten täten. Die Frauen würden nur das wählen, was ihnen ihre Ehemänner und die Priester vorschreiben würden:

Ich brauche kein Wahlrecht, um zu tun, was mir passt, denn ein paar von uns regieren hinter dem Thron.

Und so erweist sich auch ihr Leben bis zu ihrem Tod.. Paula Rodriguez erreicht alles, was sie möchte. Ohne die Einwilligung der Regierung, ohne die ihres Mannes. Sie hat in der Tat alle Fäden in der Hand, sowohl in der Gesellschaft, als auch in der Familie.


Durch den Überfall an ihren Großvater Mao ist Aurora ist seit frühster Kindheit von Albträumen geplagt. Im Alter von dreizehn Jahren bekommt sie von ihrem Adoptivvater Severo eine Kamera geschenkt, damit sie ihre Albträume fotografieren könne :-). Severo wollte das Mädchen damit ein wenig aufziehen, sie trösten und legt ihr quasi ein Hobby, Fotografin zu werden,  in den Schoß.

Hier beende ich nun meine Buchbesprechung. Das Buch ist sehr facettenreich und dadurch, so finde ich, zeichnet sich eine gute Schriftstellerin und ein guter Schriftsteller aus. Es gibt vieles, was ich noch nicht erwähnt habe, aber alles, was mir persönlich wichtig war.

Ich gebe dem Buch zehn von zehn Punkten. Zehn und nicht weniger, weil der Autorin es  gelungen ist, die Menschen in ihrem Buch differenziert darzustellen und sie viele weltliche Themen bearbeitet, ohne dass diese oberflächlich wirkten. In jedem von ihr aufgezeichnetem Land gab es gute und weniger gute Menschen. Und genau das ist mein Lesestil, mein Faible zu guter Literatur.


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„Die rechte Vernunft liegt im Herzen“ (Theodor Fontane)

Gelesene Bücher 2012: 61
Gelesene Bücher 2011: 86



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