Sonntag, 20. Mai 2012

Theodor Fontane / Der Stechlin 2

Fischer TB / ISBN-10: 3596901154


So, möchte mal versuchen, ein paar Gedanken zu dem Buch festzuhalten.

Zu Beginn des Romans fällt auf, dass es alles um Stechlin geht. Das Dorf nennt sich Stechlin, der See heißt Stechlin, das Herrenhaus nennt sich Schloss Stechlin ... , so dass es einen regelrecht zum Gähnen bringen kann vor lauter Stechlins, dies aber nicht bedeutungslos ist und an einigen Textstellen lässt sich´s ahnen, dass es sich um ein recht konservatives und eingefahrenes Dorf handelt, indem sich wenig Neues tut und kaum Veränderungen sich abzeichnen, und alles nach alter Gewohnheit lebt.

Der Protagonist des Romans ist auch ein Stechlin, Dubslav von Stechlin, ein Baron, der sein Schloss nicht als Schloss betrachtet wie es die anderen Bewohner des Dorfes tun, sondern er bezeichnet sein Schloss nur als "Haus Stechlin" und wegen des Alters bezeichnet er das Schloss sogar als alter Kasten.

Ja, auf seinen See war Dubslav stolz, aber desto weniger stolz war er auf sein Schloss, weshalb es ihn auch verdross, wenn es überhaupt so genannt wurde. Von den armen Leuten ließ er sich´s gefallen: " Für die ist es ein >Schloss<, aber sonst ist es ein alter >Kasten< und weiter nichts" und so sprach er denn lieber von seinem >Haus<, und wenn er einen Brief schrieb, so stand darüber >Haus Stechlin<. Er war sich auch bewusst, dass es kein Schlossleben war, das er führte.

Dubslav ist Mitte sechzig, hat eine zehn Jahre ältere Schwester Adelheid, die im Kloster Wutz, die Herrin, bzw. die Klosteraufseherin dort ist. Es scheint aber kein katholisches Kloster zu sein, sondern eher ein protestantisches, da sie dem Katholizismus gegenüber eher feindselig eingestellt ist. Den Beichtstuhl z.B. bezeichnet sie als Satanstuhl.

Dubslav schätzt den Umgang mit seiner Schwester nicht allzu sehr.

Dubslav hat noch einen jungen Sohn im erwachsenen Alter namens Woldemar, der sich mit einem Telegramm bei ihm Vater ankündigt. Wie Dubslav über Telegramme denkt, fand ich recht lustig, wenn die Gedanken auch recht ernst sind. Sie haben beides; sie sind für mich ernst und lustig zugleich und man erfährt, als sein Diener Engelke auf ihn zugeht, als ihn Dubslav sowieso schon erwartet hatte:

"Das ist recht, Engelke, dass du kommst… aber du hast ja was wie´n Telegramm in der Hand. Ich kann Telegramme nicht leiden. Immer ist einer dod, oder es kommt wer, der besser zu Hause geblieben wäre." 

Woldemar kündigt nicht nur seinen Besuch, sondern auch der zwei seiner Freunde Czako und Rex, beide Regimentskameraden, was den Vater in Aufregung versetzt, der es gewohnt ist, alleine zu leben mit wenig Gesellschaft. Um sich von dem Besuch zu zerstreuen, plant er weitere Gäste aus dem Dorf einzuladen:

Aber wen laden wir ein? So bloß ich, das geht nicht. Ich mag mich keinem Menschen mehr vorsetzen. Czako, das ginge vielleicht noch. Aber Rex, wenn ich ihn auch nicht kenne, zu so was Feinem wie Rex pass ich nicht mehr; ich bin zu altmodisch geworden."

An dieser der Textstelle wird auch deutlich, wie festgefahren und wie sehr Dubslav nach alten Gewohnheiten lebt. Nun sollen andere Gäste seinen Auftritt erleichtern. da das Dorf aber auch wie eingeschlafen ist, weiß Dubslav auf Anhieb nicht, welche Gäste er einladen soll... .

Nun gut, alles wird zu Dubslavs Gunsten arrangiert. Im Hause verbreitet sich eine kleine, noble Gesellschaft, in der politische und gesellschaftliche Gespräche geführt werden. Anwesend ist auch der Dorfpfarrer Lorenzen, sowie das Ehepaar Gundermann, die die Hauptdarsteller waren und quasi die Unterhaltungen anstimmten und sich rege daran beteiligten. Sie brachten sozusagen Stimmung in die Gesellschaft ein.

Herr Gundermann interessiert sich für Politik und ist recht zurückhaltend bei der Kandidatur bei Wahlen. Folgender Dialog fand ich auch recht spannend und weist nochmals darauf hin, nach welchen festgefahrenen Mustern das Dorf lebt und wenig Neues zulässt und selbst die Zugezogene keine Möglichkeit bekommen, sich in dem Dorf einzubringen, und sich zu entfalten. Gundermann äußert große lobende Worte über den politisch aktiven Kortschädel. Woldemar, der diese Worte relativiert, erwidert:

"Ich glaube, wir haben viele von ähnlicher Gesinnung. Und sehe nicht ein, warum nicht ein Mann wie Sie …"
"Geht nicht."
"Warum nicht?"
"Weil Ihr Herr Papa kandidieren will. Und da muss ich zurückstehen. Ich bin hier ein Neuling. Und die Stechlins waren hier schon…"
"Nun gut, ich will dieses Letztere gelten lassen, und nur was das Kandidieren meines Vaters angeht - ich denke mir, es ist noch nicht so weit, vieles kann noch dazwischen kommen, und jedenfalls wird er schwanken. (...)

Anders dagegen Frau Gundermann:

Die Gundermann war glücklich über das Tête-à-tête, denn sie hatte wegen ihres jüngsten Sohnes allerhand Fragen auf dem Herzen oder bildete sich wenigstens ein, sie zu haben. Denn eigentlich hatte sie für gar nichts Interesse, sie musste bloß, richtige Berlinerin, die sie war, reden können.

Sie ist doch wie geschaffen für das Dorf Stechlin .
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"Die rechte Vernunft kommt aus dem Herzen" (T. Fontane)

UB:
Dickens: Schwere Zeiten
Fallada: Damals bei uns daheim
Fontane: Der Stechling
Kuan: Die Langnasen
Lenz: Die Masken
Leroux: Das Phantom der Oper
Lueken: New-York
Manguel: Die Bibliothek bei Nacht
Mann. T. Erzählungen (1)
Miin: Madame Mao
Muawad: Verbrennungen
Proust: Sodom und Gomorrha
Senger: Kaiserhofstr. 12
Thackeray: Das Buch der Snobs
Zweig: Brennendes Geheimnis

Gelesene Bücher 2012: 34

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